ANSPRACHE FÜR ISA FREIFRAU VON BERNUS

*21. Januar 1898 † 12. Mai 2001


"Die Liebe sei nicht falsch. Hasset das Arge, hanget dem Guten an. Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brünstig im Geiste. Dient dem Herrn.

Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet. Herberget gern. ... Freuet euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden. Habt einerlei Sinn untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug. Vergeltet niemand Böses mit Bösem. ... Ist es möglich, soviel an euch ist, so habt mit allen Menschen Frieden. Seid niemand nichts schuldig als daß ihr euch untereinander liebet; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder ob wir sterben, so sind wir des Herrn."

Röm 12, 13 u. 14

Liebe Freunde von Isa von Bernus, werte Anwesende, liebe Schwestern und Brüder!

Unlängst nahm ich im Theater von Bregenz an einer Dichterlesung mit anschließender Diskussion des Dichters mit einem Theologen teil. Der Dichter wie auch der Theologe waren sich darin einig, dass man über das Erzählen von Geschichten und Mythen der Wahrheit oft am nächsten kommt. So möchte auch ich erzählen, und im Erzählen das einfließen lassen, was Christen von Tod und Auferstehung, von Hoffnung auf ewiges Leben bei Gott im Himmel glauben, - was für Isa von Bernus schon Wirklichkeit geworden ist. Ich denke, das ist ihr gemäßer, war sie doch ein Mensch, der weder im universitären Schuldenken noch im lehramtlichen Glauben daheim war. Ich möchte erzählen, auch Persönliches erzählen, da es eine Form ist, meiner Liebe zu ihr Ausdruck zu verleihen, meinen Tränen Einhalt zu gebieten und meiner Trauer einen Raum zu geben.


Es war im Jahre 1984, als Isa von Bernus für einige Stunden Gast in dem Haus war, in dem ich damals lebte, und wo ihr Mann Jahrzehnte lang sein Zuhause hatte und das Begegnungsstätte von "Malern, Dichtern und ihren Gesellen" war: Stift Neuburg. Isa kam zusammen mit Dr. Mittler, um die Neuherausgabe von Wachsen am Wunder, Bernus' Kindheits- und Jugendbiographie, vorzustellen. Abt Maurus führte sie anschließend durch das Benediktinerkloster, das Stift Neuburg seit 1926 wieder ist. Er ließ ihr, einer Frau, dabei eine Ehre zuteil werden, die ansonsten nur den Ehefrauen von Regierungsoberhäuptern zukam. Und ich wäre so gerne dabei gewesen, war ich doch sicher der einzige unter den anwesenden Mönchen, der alle Bücher von Alexander von Bernus, die in der Bibliothek stehen, gelesen hatte. Aber der junge Mönch durfte nicht. Noch heute, während ich dies sage, kommt Verärgerung auf.

Was der Abt abends in der Rekreation von Isa von Bernus erzählte, nahm mich so für sie ein, dass ich ihr wenige Tage später meine Ausgabe von Leben Traum und Tod schickte mit der Bitte, mir eine Widmung hineinzuschreiben. So begann eine Freundschaft, die bis zu ihrem Tod, nein, das wäre falsch, bis in die Ewigkeit der Ewigkeiten hinein dauern wird. Isa schrieb in mein Buch ein Wort von Bernus, das sie liebte und gerne zitierte:



"Man sagt, daß den das Wunder immer fände,

der seinen Glauben daran nie verriet.

Es gibt so vieles, was das Aug' nicht sieht;

Mitunter aber weiten sich die Wände..."

Diese "Wände" haben sich nun für Isa geweitet. Sie ist hindurchgegangen, hinein auf die Seite des Lebens, die nur wenige von uns, und dann wohl auch nur kurz, schauen können und wozu es, um davon zu erzählen, "überweltlicher Worte" bedarf, wie Bernus in "Auszusagen vom Tode ..." schreibt.

Ein Jahr später traf ich Isa zum ersten Mal persönlich, nachdem wir schon zahlreiche Briefe gewechselt hatten. Dazu bedurfte es einer gewissen List, denn einfach so 'mal die Baronin Bernus besuchen, das war für den jungen Mönch nicht drin. So machte ich, was erlaubt war, in der nicht weit von Donaumünster gelegenen Abteil Neresheim. Da der Gastpater ein verschwiegener Mann war, weihte ich ihn in meinen Wunsch, nach Donaumünster zu fahren, ein. Er half mir. Und so konnte mich Isa zusammen mit Dr. Sebastian Paquet am Zug in Donauwörth in Empfang nehmen. Es war Freundschaft auf den ersten Blick.

Wunderschöne Stunden, denen dann viele, viele folgten, anfangs ähnlich geheim, später, nach dem Austritt aus dem Kloster, ganz offiziell. Ihr immer gleicher Tagesrhythmus war wohltuend. Frühstück noch bevor die Mitarbeiterinnen ins Labor kamen, die Post und Bestellungen für die Heilmittel erledigen. Mittagessen oft bei "Willi", denn kochen konnte und mochte sie zeitlebens nicht. Unvergessen ihr: "Schau doch 'mal in die Speisekammer, da stehen tolle Dosen, such Dir was aus.!" Nachmittags, wie schon bei Bernus, gab es Tee. Abends erzählten wir miteinander oder lasen, und Isa rauchte in ihrer unnachahmbaren Weise. Es waren unbeschwerte Stunden, Stunden, in denen ich mich erholte an Leib und Seele. Isa war die ideale Gastgeberin. Und sie war so jung, so erfrischend jung und umkompliziert. Nie hatte ich den Eindruck, da sitzt mir eine ältere Frau gegenüber. Isa war und blieb zeitlos. Nie rückwärts gewandt und von gestern erzählend, wo alles besser war, nein, sie lebte im Heute und sorgte sich um das Heute. Auch ich erfuhr erst anläßich ihres 100. Geburtstages, wie alt sie wirklich war. Nie sprach sie darüber, mein Gott, wie alte Leute doch so gerne strotzen mit ihrem Alter, - auch da unterschied sie sich wolhltuend.

Isa besaß bis zuletzt in ihrem Wesen einen Zauber, dem nicht nur Alexander von Bernus und wohl so manch' anderer erlegen waren.

"...mit dem Mund, der Rätsel stellt und deutet,

mit dem Lächeln, das verheißt und wehrt..."

wie Bernus das 1934 in "Ewige Ausfahrt" formulierte. Von diesem Zauber in ihrem Sein, so wie sie war, eher intuitiv, und wie Irmhild Mäurer schreibt, "mit-dem-Herzen-denkend", war ich berührt, zog es mich zu ihr hin.

Isa war von Kindheit an ein Mensch, der geliebt wurde. Sie war nicht nur ein lockiges Kind, sondern eine wunderschöne Frau. Ihr Bildnis als junge Frau, das sie als Schauspielerin und Rezitatorin zeigt, befindet sich bei mir im Pfarrhaus. Kaum ein Besucher, der nicht bewundernd davor stehen bleibt!

Isa wurde geliebt und liebte. Und, das darf wohl nicht verschwiegen werden, Liebe wurde ihr auch zum Verhängnis.

Als ich gerade aus dem Kloster ausgetreten war, suchte ich für ein paar Wochen Unterschlupf bei ihr, um in aller Ruhe über mein weiteres Leben nachzudenken, aber auch, um meine theologische Abschlußarbeit über den ‚Religiösen Glauben von Alexander von Bernus' in Donaumünster zu schreiben. Es war mir schnell klar, dass sich bei Isa etwas verändert hatte, nicht nur äußerlich, auch im Innern. Das Böse war ins Schloß eingezogen, und da Isa den "schönen Worten" (aus dem Nachwort von Irmhild Mäurer in "Irene") mehr glaubte, als dem, was andere sahen und hörten und kritisch einander zuraunten, wurde es oft schwer, mit ihr zu verkehren. Warnende Stimmen der Freunde drangen nicht bis zu ihr vor. Sie wollte sie nicht hören, konnte vielleicht auch nicht. Es war eine harte Zeit, und ihre Auswirkung ist bis heute zu spüren und wird uns morgen und übermorgen noch belasten. Es war die Zeit, um mit Bernus zu sprechen,

"DA DER ENGEL DES HERRN SEIN HAUPT VERHÜLLT UND DIE DÄMONEN WEIDEN ... UND SICH MÄSTEN." Da trat eine Frau bei ihr ein, die sah und verstand mit Isa "...IN DIE STILLE ZU GEHEN / UND ZU HÖREN DIE STIMME, / DIE NICHT IN DEM STURME LAUT WIRD..." Es war harte, harte Seelenarbeit, die Irmhild leistete. Und war doch erst der Beginn all dessen, was Du, liebe Irmhild, hinfort für Isa und für die Alexander von Bernus Gesellschaft getan hast.

Liebe Freunde von Isa, werte Anwesende, liebe Schwestern und Brüder!

Dass Isa gestorben ist, verstehe ich noch immer nicht recht. Als ich am Sonntag ihrer in der Messe gedachte, sagte ich: Obwohl ich doch im Jahr um die 40 Menschen bestatte, einige davon auf dem Heimweg zu Gott begleite, bis sie erlöst sind, habe ich doch nicht daran gedacht, dass Isa einmal sterben würde. Schier unsterblich kam sie mir vor. Wenn sie wie Hennoch, wie Elija, wie Maria in den Himmel aufgefahren wäre, ich hätte mich nicht gewundert. Ich hätte dem guten Engel, dem sie zeitlebens vertraute, zugetraut, dass er sie so mit in den Himmel nehmen würde. Aber Isa wählte den Weg alles Irdischen. Sie starb. Starb wissend um den nahen Tod, und sie hat sich darauf gefreut. Vielleicht erging es ihr wie dem uralten Abraham, von dem es heißt, dass er müde und lebenssatt war. Irgendwann will man einfach nicht mehr, weiß man, dass da, auf der anderen Seite, ein neues Leben auf einen wartet. Ein Leben ganz bei Gott, beim Vater, bei Christus. Aber auch ein Leben mit all denen, die uns schon vorausgegangen sind.

Dort, ganz bei Gott, dürfen wir Isa wissen, dort im Licht, dort in der Freude ohne Unterlaß, dort in der seligen Seligkeit. Dort, wo unsere Sprache keine Worte mehr hat, um von dem zu künden und zu sprechen, was uns erwartet und "was noch kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und keines Menschen Herz jemals empfunden hat, das aber Gott denen bereitet, die ihn lieben." (Teil eines Gebetes) wir aber, meine Lieben, wir bleiben zurück - noch zurück. Und einige von uns sind trotz der Freude darüber, dass Isa nun ganz im Licht ist, traurig. Diese Trauer wird noch währen, lange währen. "Denn es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines geliebten Menschen ersetzen kann und auch soll. Wir sollen es auch gar nicht erst versuchen. Man kann es nur aushalten und durchhalten. Das ist durchaus ein harter, schmerzlicher Prozeß. Aber auch ein Trost. Denn indem die Lücke unausgefüllt bleibt, bleibt man gerade durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt: Gott füllt die Lücke aus. Er füllt sie gar nicht aus, sondern hält sie vielmehr unausgefüllt und hilft uns dadurch, unsere Gemeinschaft miteinander - auch unter den Tränen der Trauer - zu bewahren." (Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung)

Unser christlicher Glaube sagt uns, dass der Mensch nach seinem Tod hinüber geht zu Gott. Wie das genau zu verstehen ist, vermag wohl keiner recht zu sagen. Wir glauben, dass der Hinübergegangene beim Vater im Himmel ist. Wir glauben aber auch, dass wir durch Gottes Liebe mit den Hinübergegangenen verbunden sind, "... daß wir nicht

geschieden sind..." wie Bernus in dem Gedicht "Von drüben gesprochen" an Isa schreibt. Dorthin zu Gott dürfen wir hinfort mit unseren Gedanken an Isa gehen, dürfen wir uns wenden, wenn wir ihr ein Wort sagen wollen. Gott hört. So laßt uns in dieser Stunde nicht nur trauern, sondern mit Isa das Wort des Paulus sprechen, das sie immer und immer wieder sich vorsagte:

"Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet!"

Fröhlich - weil wir wissen, wo Isa nun ist und ihre Hoffnung nicht zuschanden wurde.

Geduldig in Trübsal - weil wir nicht wissen, wie es weitergeht mit ihrem und Bernus' Lebenswerk.

Haltet an am Gebet - weil wir noch mehr auf Gottes Barmherzigkeit hoffen müssen und zugleich in Isa eine Fürsprecherin bei Gott haben.

Nur noch ein letztes Wort. Es soll ein Wort sein, das ich vielleicht auch im Namen von Isa sprechen darf. Ich möchte einfach Danke sagen. Danke all denen, die Isa lieben und wertschätzen und besonders all denen, die Tag und Nacht für sie da waren. Angefangen bei Dir, liebe Irmhild, es ist nicht in Worte zu fassen, was Du für sie tatest. Danke! Danke den "Rote-Kreuz-Schwestern und Pflegern", Isa hat ihnen viel zu verdanken, besonders Ihnen, liebe Gretel. Danke all den guten Geistern vom Schloß, Ihr wißt schon, wen ich meine. Dank an Bastl, an Bobbi und Jürgen†, an Ankeli, an Andreas, an Nomi, an Alois, an Sautters, an Klausens - um nur einige zu nennen, die ich persönlich kenne, und dann an all die vielen, die an Isa Gutes taten und hoffentlich weiterhin dem Lebenswerk Gutes tun werden. Gott, der Herr, möge es Euch, möge es Ihnen vergelten.

In den Dank möchte ich auch die Tiere einschließen, die sie wärmten und schützten.

Und schließlich möchte ich Dir, liebste Isa, danken. Danken für ein langes, vielfach wundervolles Leben und für deine stets jung gebliebene Freundschaft. Für Dein Zu-uns-her-Denken, Dein Mit-uns-Fühlen, Dein Uns-Umarmen, Dein Lieben. Und nun auch Dir, lieber Gott, dass Isa ein "wahrer Mensch werden durfte" und Du sie uns so lange geschenkt hast. Danke! Amen.

Obwohl Isa von Bernus evangelisch getauft war, wollte sie von Bernd Schmitt, dem katholischen Priester, beerdigt werden. Er war eine Zeitlang ‚Bruder Christian' auf Stift Neuburg. Heute ist er Pfarrer der St. Rochus Pfarrei in Kaiserslautern.