Die Rolle der Frau zu Beginn des
20. Jahrhunderts – Die deutsche Frauenbewegung und das Leben der
Freifrau Isa von Bernus im Vergleich

Auszug aus der Facharbeit von
Steffen Berchtenbreiter

(...) Isa von Bernus dient hier als Zeitzeugin, die aus erster Hand von ihren Erlebnissen in der Zeit bis 1933 berichten kann. (...) Isa von Bernus wird am 21. 01. 1898· in Berlin als Tochter des berühmten großherzoglichen Kammersängers zu Karlsruhe, Alfred Oberländer, und seiner Frau Melitta geborene Worms als Isolde Oberländer geboren. Wenig später wird sie, ebenso wie ihre ältere Schwester Anita, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, evangelisch getauft. Die Verhältnisse der Oberländers sind gut- bis großbürgerlich. Die Familie wohnt in Berlin-Charlottenburg in der Schlüterstraße 51, einer guten, gehobenen Wohngegend.

Nachdem Alfred Oberländer früh stirbt, wächst Isa ohne Vater auf. Ihre Mutter erzieht die Kinder als Hausfrau fortan allein. Finanziell treten auch nach dem Tod des Vaters und Versorgers wegen des Vermögens, das die Familie hat, keine Probleme auf. In Notzeiten unterstützt sie Onkel Rolf, der Bruder des Vaters, der in Berlin Patentanwalt ist und später ins Ausland geht. Isa selbst geht ab 1904 in Berlin zur Volksschule und ab 1908 aufs Gymnasium. Leider kann sie sich nicht mehr an die Namen der Schulen erinnern. Die Nachmittage verbringt sie meist in einer auf dem Heimweg gelegenen Buchhandlung. Dort entdeckt sie ihre Liebe für die deutsche Lyrik und verbringt unzählige Stunden mit Lesen. Außerdem erhält sie Ballettunterricht in der Ballettschule in der Kantstraße, sowie privaten Klavierunterricht. 1914 feiert sie ihre Konfirmation. 1916 schließt sie das Gymnasium mit dem Abitur ab. Danach beginnt sie eine für Frauen kriegstypische Sozialarbeit und betreut in Berlin-Moabit finanzschwache Familien, kümmert sich um deren Kinder und sieht einfach nach dem Rechten. Dabei wird sie immer von einem Schutzmann begleitet, der ihr zur Seite steht, falls Probleme auftreten oder sie in Gefahr zu kommen droht. Während des Krieges geht es der Familie besser, als den meisten anderen Menschen. Onkel Rolf, mittlerweile Fabrikbesitzer in Hamburg, hilft finanziell und schickt "Fresspakete" in die Hauptstadt. Nach dem Krieg beginnt Isa Oberländer auf Wunsch der Mutter eine Tätigkeit als Schwester für soziale Fürsorge im Pestalozzi-Fröbel-Haus, einer Art Waisenhaus in Berlin. Dort arbeitet sie als Betreuerin und Krankengymnastin. Diese Arbeit füllt sie allerdings nicht aus. Außerdem kommt sie mit den strengen Methoden der Oberschwester nicht zurecht.

Ab 1921 folgt sie ihrer wahren Berufung und Leidenschaft – dem Theater und der Literatur – und unterzeichnet einen Jahresvertrag beim Stadttheater in Cleve. Gleichzeitig tritt sie dem Deutschen Bühnenverein bei. Ab sofort erhält sie Schauspielunterricht bei ihrer "Tante" und Lehrerin Auguste Prasch-Grevenberg, die selbst zur damaligen Zeit eine berühmte Schauspielerin war. In Cleve arbeitet sie sich zu einer festen Größe am Theater hoch. Sie wird durch ihr Gespür, ihren Rollen instinktiv das richtige Gefühl einzuhauchen, auch bald über Cleve hinaus bekannt.

1922 beginnt sie erstmals zusammen mit Kollegen zur Morgenfeier anlässlich des dreijährigen Bestehens der Clever Volkshochschule deutsche Lyrik zu rezitieren. Es folgen weitere Vortragsabende.

Im Frühjahr 1923 wechselt Isa nach Berlin. Dort tritt sie erstsmals am 4. April unter der Regie von Dr. Johannes Günther in der Berliner Erstaufführung von Karl Röttgers "Der treue Johannes" auf. Das Stück wird auf einer Feier zu Ehren Bismarcks aufgeführt. Es folgen weitere Stücke, unter anderem auch ‚Lyrische Spiele‘ von Johannes Günther, dabei handelt es sich um kurze Sprechstücke. Zur gleichen Zeit beginnt Isa an einem eigenen lyrischen Vortragsabend ausgewählte deutsche Lyrik zu rezitieren. Die Kritiker vieler deutschen Zeitungen, wie der "Deutschen Allgemeinen Zeitung" oder des "Berliner Tagblatts", sind begeistert von der herben Schönheit des Vortrags. Dies trägt Isas Bekanntheit weit über die Grenzen Berlins hinaus und verheißt ihr eine große Theaterzukunft. Im März 1924 gründet Isa Oberländer gemeinsam mit anderen die "Deutsche Szene". Diese Vereinigung von jungen Berliner Theaterkünstlern richtet sich gegen die unerschwinglichen Theaterpreise und das Wirrwarr der deutschen Theaterszene.

Etwa zur gleichen Zeit erweist sich ein Missverständnis als Glücksfall. Als Isa den Telefonhörer abnimmt und ihren Gesprächspartner nicht kennt, sagt sie nur kurz "Falsch verbunden!" Damit legt sie den Grundstein für ihre neue Anstellung als Radiosprecherin. Der Anrufer ist nämlich einer der Radiopioniere des Berliner "Voxhauses", der sie, fasziniert von ihrer Stimme, vom Fleck weg engagiert. Nun liest sie vormittags Texte von Goethe und Schiller und tummelt sich abends auf den Berliner Bühnen. Das Voxhaus gibt ihr auch die Möglichkeit, den Erfolg ihres ersten eigenen Vortragabends zu wiederholen. Es folgen mehrere Abende der Rezitation im Voxsaal, unter anderem unter dem Titel "Frauenschicksal". 1926 ist sie dann im neuen Schauspielhaus der Jadestädte engagiert. Es folgen weitere Engagements auf verschiedenen deutschen Bühnen, meist als (Star-)Gast. Sie hat sich zu einer deutschen Theaterberühmtheit entwickelt.

Mit 31 Jahren lernt sie bei einem Besuch bei ihrer Schwester Anita, die sich als Opernsängerin einen Namen gemacht hatte, über einen gemeinsamen Freund, den Hölderlin-Verleger Erich Lichtenstein, den 18 Jahre älteren Alexander von Bernus kennen. Sie verliebt sich. Das Paar zieht für eine Weile nach Wien. Sie spielt Theater, er schreibt. Sie ist seine Muse und inspiriert ihn. 1930 wird ihr eine besondere Ehre zuteil: Als erste deutsche Schauspielerin nach dem Krieg wird sie eingeladen, an der Pariser Sorbonne deutsche Lyrik zu lesen. Das bringt ihr auch über Deutschland hinaus viel Beifall und Berühmtheit.

Im Zenith ihres Theaterschaffens entscheidet sie sich gegen eine Fortführung ihrer Theaterkarriere und für ein bedingungsloses Weiterleben an der Seite des sensiblen Dichters Alexander von Bernus, der nur noch schreiben will, wenn seine Isa in der Nähe ist. Sie ziehen nach Stuttgart, wo von Bernus sein spagyrisches Labor aufgebaut hat. ...

Steffen Berchtenbreiter schrieb diese Arbeit, aus der wir nur einen kurzen Auszug präsentieren, im Leistungskurs Sozialkunde/Geschichte am Gymnasium Donauwörth. Mittlerweile ist er Student der Jurisprudenz in Augsburg.